Warum Geben den Unterschied macht

Systemische Wechselwirkungen von Geben und Nehmen

Autor: Reinhard F. Leiter, Executive Coach M?nchen

Stellen wir uns vor, jeder Mitarbeiter ist ein Instrument in einem Orchester. Dirigent ist die F?hrungskraft. Klingt einfach? Weit gefehlt! Denn in der Realit?t der Unternehmenswelt gleicht das Zusammenspiel oft einem wilden Durcheinander. Erfolgreiche F?hrungspers?nlichkeiten wissen: Um Harmonie zu schaffen, braucht es mehr als Taktgef?hl. Es braucht ein tiefes Verst?ndnis f?r die systemischen Zusammenh?nge, die sich wie feine F?den durch die Organisation ziehen.

Systemisches Denken: Raus aus der Schublade, rein ins Gesamtbild
Systemisches Denken ist nicht einfach nur ein neuer Begriff f?r altbekanntes Management. Es ist eine Denkweise, die starre Schemata sprengt und den Blick f?r das gro?e Ganze sch?rft. Weg vom systematischen Abarbeiten von Aufgaben, hin zum Erfassen der komplexen Verflechtungen, die das Unternehmen pr?gen. F?hrungskr?fte m?ssen lernen, die Organisation als ein lebendiges System zu verstehen, in dem jeder Einzelne eine wichtige Rolle spielt. Im Mittelpunkt des systemischen Ansatzes steht der Mitarbeiter – nicht als Befehlsempf?nger, sondern als Experte f?r sich selbst und seine Aufgaben. Wertsch?tzung und gegenseitiges Vertrauen bilden die Basis f?r eine l?sungs- und ressourcenorientierte Zusammenarbeit. Statt sich auf Fehler und Schw?chen zu konzentrieren, gilt es, die St?rken jedes Einzelnen zu erkennen und zu f?rdern.

Den Blick weiten: ?ber das Individuum hinausdenken
Systemisches Denken beschr?nkt sich nicht auf die Betrachtung einzelner Personen. Es geht darum, die Zusammenh?nge zu erfassen, die entstehen, wenn Menschen in einem System zusammenarbeiten. Die komplexe Welt der Unternehmen verlangt nach F?hrungspers?nlichkeiten, die ?ber den Tellerrand blicken k?nnen. Systemisches Denken ist der Schl?ssel, um die vielf?ltigen Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu meistern. Durch ein vertieftes Verst?ndnis systemischer Zusammenh?nge k?nnen F?hrungskr?fte zu wahren Dirigenten der Unternehmensharmonie werden.

Warum wir funktionieren, wie wir funktionieren
In der Welt der „lebenden Systeme“, also Gruppen von Menschen, die durch ein Netz von Ordnungsregeln miteinander verbunden sind, funktioniert es ?hnlich wie in einem Orchester. Oft tanzen wir zur falschen Melodie, weil wir die Regeln des Systems, in dem wir uns bewegen, nicht verstehen. Lebende Systeme funktionieren nicht so, wie wir es wollen, sondern wir funktionieren so, wie sie es wollen. Das klingt hart, ist aber Realit?t. Denn die Ordnungsregeln, die unser Verhalten steuern, sind oft unsichtbar, tief in der Geschichte und Kultur des Unternehmens verwurzelt. Wir folgen ihnen unbewusst, ohne zu merken, dass sie unsere Entscheidungen und Handlungen beeinflussen. Um von der Dissonanz zur Harmonie der Symphonie zu gelangen, m?ssen F?hrungskr?fte die Partitur des Systems verstehen. Das bedeutet, die Ordnungsregeln zu erkennen, die das Verhalten bestimmen. Nur wenn sie diese Regeln verstehen, k?nnen sie sie bewusst hinterfragen und ver?ndern.

Nicht gegen das System ank?mpfen
Es geht nicht darum, gegen das System zu k?mpfen, sondern im Einklang mit ihm zu arbeiten. Wenn F?hrungskr?fte die Regeln des Systems verstehen, k?nnen sie lernen, sich im Einklang mit dem System zu bewegen, ihre Energie gezielt einzusetzen und so die gew?nschten Ver?nderungen zu erreichen.

In diesem Zusammenhang gibt es vier Kernthemen, die es zu betrachten gilt:

1. Das System im Gleichgewicht halten: Rangordnung und Zugeh?rigkeit
In jedem Unternehmen gibt es eine nat?rliche Hierarchie. Diese Hierarchie, die sich einerseits in der F?hrungsstruktur und andererseits in den Beziehungen zwischen gleichberechtigten Mitgliedern widerspiegelt, ist f?r das Funktionieren des Systems unerl?sslich. Erfolgreiche F?hrungspers?nlichkeiten verstehen die Bedeutung der Hierarchie und sorgen daf?r, dass diese klar definiert und gelebt wird.

2. Zugeh?rigkeit: Wer geh?rt dazu und wer nicht?
Jedes System hat seine eigenen Regeln, die bestimmen, wer dazugeh?rt und wer nicht. Diese Regeln, die oft implizit und unsichtbar sind, schaffen ein Gef?hl der Zugeh?rigkeit und Identit?t. F?hrungskr?fte m?ssen diese Regeln verstehen und daf?r sorgen, dass sie fair und transparent angewendet werden.

3. Geben und Nehmen: Im Kreislauf des Ausgleichs
In einem gesunden System herrscht ein st?ndiger Austausch von Geben und Nehmen. Jeder Einzelne tr?gt zum Ganzen bei und profitiert gleichzeitig davon. F?hrungskr?fte m?ssen daf?r sorgen, dass dieses Gleichgewicht erhalten bleibt und keine einseitigen Belastungen entstehen.




4. Anerkennen, was ist: Die Kraft der Wertsch?tzung
Ver?nderung beginnt mit Anerkennung. Um ein System zu verbessern, m?ssen wir zun?chst verstehen und wertsch?tzen, wie es aktuell funktioniert. Die Anerkennung dessen, was ist, ist die Grundlage f?r konstruktive Ver?nderungen.

Geben und Nehmen: Schuld als Motor des Ausgleichs
In unserem Inneren wohnt ein stiller Beobachter, der unsere Handlungen auf einer unsichtbaren Waage abw?gt: das Gewissen. Es ist die Stimme, die uns daran erinnert, dass jede Tat, jedes Geschenk und jeder Gefallen eine Gegenleistung erfordert. Wenn wir einem anderen etwas wegnehmen, sei es ein materielles Gut oder eine immaterielle Geste, entsteht ein Ungleichgewicht. Das Gewissen dr?ngt uns, die Waage wieder ins Gleichgewicht zu bringen, indem wir etwas Gleichwertiges zur?ckgeben. Erst wenn die Schuld beglichen ist, wenn wir gegeben haben, was wir genommen haben, f?hlen wir uns dem anderen gegen?ber frei. Das Prinzip des Ausgleichs von Geben und Nehmen ist tief in unserem Wesen verwurzelt. Es dient als Kompass in unserem sozialen Miteinander und f?rdert ein harmonisches Zusammenleben.

Ausgleich als Schl?ssel zur Begegnung auf Augenh?he
In jedem Unternehmen schwingt dieses unsichtbares Pendel: das Pendel des Gebens und Nehmens. Getrieben von einem tiefen Bed?rfnis nach Ausgleich, erweisen wir einander Gef?lligkeiten und dr?cken unsere Sympathie und Zuneigung aus. In diesem st?ndigen Austausch, in diesem Akt des Gebens und Nehmens, entwickeln und festigen sich Beziehungen. Hinter jedem Austausch, ob materiell oder immateriell, steckt auch ein tiefes Bed?rfnis nach Gleichberechtigung, nach einer Begegnung auf Augenh?he. Denn wer etwas annimmt, verliert ein St?ck seiner Unabh?ngigkeit. Wird der Austausch so gro?, dass er nicht mehr ausgeglichen werden kann, entsteht eine lebenslange Bindung. Das gilt besonders, wenn Leben gegeben oder genommen wird. Umgekehrt empfinden wir einen vollzogenen Ausgleich als Befreiung: „Quitt“ sein bedeutet Freiheit. Deshalb entsteht beim Bezahlen keine Bindung. Geld erm?glicht den freiesten Austausch.

In Fairness investieren
In der Arbeitswelt scheint das Prinzip von Geben und Nehmen einfach und klar: Arbeit gegen Lohn. Doch funktioniert dieses Prinzip im Alltag wirklich so reibungslos wie angenommen? Mitarbeiter vergleichen ihren Lohn mit zwei Ma?st?ben: den Kollegen und dem Arbeitsmarkt. F?hlt sich jemand dauerhaft benachteiligt, sinkt die Motivation. Der Blick richtet sich nach au?en – auf die Suche nach einem neuen Job. Ungerechtigkeit zerst?rt aber nicht nur die Motivation des Einzelnen, sondern auch den Teamgeist. Empfinden Mitarbeiter ihre Bezahlung als ungerecht, kippt das Gleichgewicht von Geben und Nehmen. Unzufriedenheit und Frustration brodeln unter der Oberfl?che. Die Folgen? Selbstbedienung! B?romaterial, Werkzeuge, im schlimmsten Fall sogar Bargeld – alles verschwindet auf unerkl?rliche Weise. Betrug ist keine Seltenheit mehr. Der Schl?ssel zu einem gerechten Austausch ist Fairness. Gerechte Bezahlung demotiviert Diebe und st?rkt den Zusammenhalt. Es entsteht ein Klima des Vertrauens, in dem sich alle wohl f?hlen und engagiert ihren Beitrag leisten.

Mehr Liebe wagen – in der F?hrung und im Leben!
Es gibt aber noch eine zweite Ebene: Anerkennung. Sie ist mehr als Lob im Mitarbeitergespr?ch! Es geht darum, gesehen und respektiert zu werden. Titel und Rang statt Gehalt? Klingt komisch, ist aber Fakt! Menschen sehnen sich nach Wertsch?tzung, nach dem Gef?hl, wichtig zu sein. Beachtung ist, wie schon Abraham Maslow wusste, ein Grundbed?rfnis, das am meisten missachtet wird. Vor kurzem habe ich einen Artikel ver?ffentlicht mit dem Titel: „All you need is Love“ – mehr Liebe in der F?hrung wagen! Viele Leserinnen und Leser f?hlten sich besonders angesprochen, weil das Wort Liebe mit F?hrung in Organisationen in Verbindung gebracht wurde. Wenn der Psychoanalytiker und Familientherapeut Bert Hellinger von „Ordnungen der Liebe“ spricht, dann gilt das f?r Organisationen ebenso wie f?r Familien. Denn der Reichtum des Lebens kann sich nur entfalten, wenn unsere Lebenssysteme „in Ordnung“ sind.

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