Autor: Reinhard F. Leiter, Executive Coach M?nchen
Die Welt erlebt aktuell einen Kaskadeneffekt von Vertrauenszusammenbr?chen. Die Gesellschaft hat das Vertrauen in das Funktionieren der M?rkte verloren. ?berall herrscht Misstrauen. Wo aber Vertrauen fehlt, brechen die M?rkte zusammen. M?rkte und Gesellschaften sind somit auf Vertrauen angewiesen, um zu funktionieren. Die ?konomische Struktur der Ressource Vertrauen hat der amerikanische Wirschaftsnobelpreistr?ger Kenneth Arrow als das wichtigste „Schmiermittel eines sozialen Systems“ bezeichnet. Es ist extrem effizient, erspart viele Probleme und biete ein faires Ma? an Verl?sslichkeit auf das Wort anderer Menschen. Begriffe wie Vertrauen, Loyalit?t und Wahrheit – von ?konomen als Externalit?ten bezeichnet – haben einen realen und praktischen ?konomischen Nutzen, denn sie erh?hen die Effizienz und steigern die Produktivit?t der Menschen. Nur: Vertrauen ist kein Gut, das man an jeder Ecke kaufen kann.
Vertrauen hat seinen Preis
Aber warum vertrauen wir einander? Die Antwort ist recht einfach: Durch Vertrauen wird das Leben einfacher. Vertrauen schafft Sicherheit. Vertrauen ist ein Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexit?t. Vertrauen ist also ein vern?nftiger Akt, um m?glichst sorglos und passabel durch das Leben zu kommen. Das f?hrt zwangsl?ufig zu der Frage: Was ist eigentlich Vertrauen? Wie alles im Leben hat auch Vertrauen seinen Preis. Um es mit dem deutscher Soziologen und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann zu sagen, impliziert Vertrauen zwingend eine „riskante Vorleistung“, verbunden mit der Hoffnung auf Gegenleistung. Denn ob der andere das ihm entgegengebrachte Vertrauen erwidert, ist nicht sicher. Das Risiko der Entt?uschung l?sst sich nicht vom Tisch wischen. Unsicherheit und Angst bleiben.
Vertrauen erzeugt Vertrauen
Vertrauen kann aber nicht erzwungen werden und ?konomische Anreize zur Vertrauensbildung sind schwer vorstellbar. Das Risiko eines gew?hrten Vertrauensvorschusses wird nur mit jeder Wiederholung einer erf?llten Vertrauensleistung ein St?ck weit mehr minimiert. Wird der erste Vertrauensvorschuss nicht entt?uscht, besteht die begr?ndete Hoffnung, dass es auch das n?chste Mal gut geht. „Trust breeds trust“ – Vertrauen erzeugt Vertrauen. Kapital und Arbeit allein reichen nicht aus, um M?rkte am Laufen zu halten. Nur wo Vertrauen herrscht, gibt es auch die Sicherheit , nicht hintergangen zu werden. Vertrauen verbessert so die Effizienz, weil es Investitionen f?rdert, und Transaktionskosten reduziert mit dem Effekt, dass in einer vertrauensvollen Umgebung die Wirtschaftsertr?ge steigen. Und weil Vertrauen seinen Verpflichtungscharakter auf die Zukunft einzahlt, sichert es den Marktteilnehmern ?ber einen gewissen Zeithorizont stabile Beziehungen.
Reputation stabilisiert Vertrauen in virtueller Distanz
Anonymit?t ist der Vertrauensbildung dagegen nicht sonderlich zutr?glich. Nur wenn sich Personen gut kennen, k?nnen sie in der Regel gegenseitiges Vertrauen aufbauen. In kleinen Gruppen f?llt die Vertrauensbildung deshalb auch leichter als in gro?en Gruppen. Dabei ersetzt die Zugeh?rigkeit zur gleichen Gruppe oft die pers?nliche Bekanntschaft als Basis des Vertrauens. Naturgem?? wird der Vertrauensaufbau bei Fernbeziehungen schon schwieriger. In diesem Fall ist die Reputation der Marktteilnehmer ein wesentlicher Indikator von Vertrauensw?rdigkeit und kann Vertrauen auch in virtueller Distanz stabilisieren.
Fehlendes Vertrauen sorgt f?r Wohlstandsverlust
Wenn Vertrauen in einer Gesellschaft nicht vorausgesetzt werden kann und als gesellschaftliche Ressource fehlt, ist es rational verst?ndlich, wenn sich die Menschen Schutz bei spezialisierten Organisationen, wie z.B. der Mafia, kaufen. Die Folgen sind allerdings katastrophal, denn das Gebietsmonopol der Mafia unterbindet Wettbewerb und liefert keine Anreize zu Innovationen. Eine Welt, der das Vertrauen abhandengekommen ist und in der pers?nlicher Schutz als privates Gut angeboten werden muss, erleidet erhebliche Wohlstandsverluste. Wenn Vertrauen also existenziell ist, stellt sich zwangsl?ufig die Frage nach seiner Entstehung und dem Wiederaufbau, wenn es erst einmal verspielt wurde?
F?r Vertrauen gibt es keine rationalen Gr?nde
Bei Fremden, die sich nicht kennen, existiert das klassische Instrumentarium zur Risikopr?fung eines Vertrauensvorschusses nicht. Was fehlt, sind die Kenntnisse ?ber die Spielregeln, nach denen der jeweils andere spielt. Erst dann, wenn beide Akteure oder Gruppen miteinander vertraut sind, l?sst sich der Grad der Kooperationsbereitschaft absch?tzen. Jeder Kooperationsgewinn wird beiden Parteien als Beweis daf?r dienen, dass sich Vertrauen auszahlt. Ob sich Vertrauen auszahlt, l?sst sich nicht voraussagen. F?r den ersten Schritt ins Vertrauen gibt es keine rationalen Gr?nde. Der Aufbau von Vertrauen kommt ohne dieses irrationale Moment schwerlich aus. Es gilt die Devise: „Just do it“.
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Vertrauen wird mit Vertrauen erwidert
Nach William James, Begr?nder des philosophischen Pragmatismus, ist die ?berbr?ckung der Verletzlichkeit und Unsicherheit der „Willen zum Glauben“ als Initialz?ndung des Vertrauens. Wer den Sprung wagt, wird laut dieser existentialistischen Terminologie erfahren, dass das Vertrauen erwidert wird. Erst durch Vertrauen l?sst sich Vertrauen herstellen. Hier zeigt sich das ganze Dilemma der Weltwirtschaft. Denn f?r die R?ckeroberung von Vertrauen, Voraussetzung f?r Wachstum und Wohlstand, gibt es keinen Masterplan. Der reflexhafte Ruf nach Kontrolle bei Vertrauensmissbrauch f?hrt nur zu einer Spirale des Misstrauens. Auch in Vertrauenskrisen gilt es daher trotz aller Widrigkeiten, Ungewissheiten zu akzeptieren und nur das Gute zu sehen.
Erfolgreiche F?hrung basiert auf Vertrauen
Auf Unternehmensebene gibt es einen betriebsinternen Parameter, der nachweisbar signifikant korreliert mit dem Unternehmensergebnis: die positive oder negative Beziehung zum unmittelbaren Chef. Ist die Beziehung gut, steigt die Produktivit?t. Ist sie schlecht, sinkt sie. Innerhalb einer als positiv erlebten Beziehung ist das wichtigste Merkmal: Vertrauen. Vertrauen als Summe von Glaubw?rdigkeit, Berechenbarkeit, Geradlinigkeit ist die Basis guter F?hrung. Sich f?hren lassen hei?t, sich jemandem anvertrauen.
Der inhaltlichen Botschaft geht die Vertrauensbotschaft voraus
Vor allem f?r das F?hrungsparadigma der Selbstverantwortung, das im Gef?hrten den Mitunternehmer und intelligenten Tr?ger (nicht Zu-Tr?ger) der Unternehmensentwicklung sieht, ist Vertrauen die einzige m?gliche kommunikative Basis. Die wechselseitige Angewiesenheit der Partner aufeinander erzwingt die konsequente Tilgung der kontrollierenden Elemente alter F?hrungsparadigmen. Der inhaltlichen Botschaft an die Mitarbeiter geht immer die Vertrauensbotschaft voraus. Das Vertrauen der Mitarbeiter entscheidet, wie ein Filter dar?ber, ob die inhaltliche Botschaft ?berhaupt geh?rt wird. Keine F?hrungskraft kann Menschen beeinflussen, f?hren, sie mit auf die gemeinsame Reise nehmen, wenn ihr nicht vertraut wird. Menschen sind bereit, einem anderen Menschen zu folgen, wenn sie ihm vertrauen, selbst wenn sie seine Absichten nicht teilen.
Der Vertrauensbeweis gleicht das Beziehungskonto aus
Andererseits verpflichtet Vertrauen. Es erzeugt Anspr?che. Es bindet. Je gr??er die riskante Vorleistung ist, desto gr??er ist die verpflichtende Wirkung. Warum ist das so? Weil Menschen den Ausgleich suchen. Geben und Nehmen m?ssen im Gleichgewicht sein, wenn wir uns entspannt f?hlen sollen. Das ist das Gesetz der Reziprozit?t. Wenn nun der andere in uns investiert, dann verlieren wir f?r einen kurzen Augenblick unser Gleichgewicht. Wir f?hlen uns dem Geber verpflichtet. Wenn wir f?r vertrauensw?rdig gehalten werden, dann f?hlen wir einen starken Druck, den wir nur mildern k?nnen, indem wir etwas zur?ckgeben. In diesem Fall, indem wir dem Vertrauen entsprechen. Man k?nnte auch sagen: Vertrauen ist wie eine Hypothek, wie eine Einzahlung auf ein imagin?res Beziehungskonto, das der andere mit einer Gegenleistung ausgleichen muss, wenn er nicht sein inneres Gleichgewicht verlieren will. Mit dem Vertrauensbeweis erfolgt der Ausgleich des Beziehungskontos.
Gestaltungsr?ume f?r pers?nliches F?hrungsverhalten
Vertrauen ist aber auch immer bidirektional. Nicht nur der Mitarbeiter muss der F?hrungskraft vertrauen, sondern die F?hrungskraft auch dem Mitarbeiter und ihm nicht st?ndig ?ber die Schulter schauen, ob er die an ihn delegierte Aufgabe auch richtig und erfolgreich erledigt. Sie muss darauf vertrauen, dass der Mitarbeiter zur ihr kommt, wenn er sich abstimmen m?chte und eine Frage hat. Vertrauen bedeutet auch, in schwierigen Situationen nicht die Dinge an sich zu rei?en und zur Chefsache zu erkl?ren, sondern die Mitarbeiter in der Verantwortung zu lassen. Ein starkes Signal f?r das Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter ist auch die Weitergabe von Informationen an die Mitarbeiter, deren Missbrauch die F?hrungskraft sch?digen k?nnte. Sich abh?ngig zu machen von der Zustimmung und der Leistung der eigenen Mitarbeiter, schafft Vertrauen. Nur dann, wenn man selbst und zuerst Vertrauen schenkt, wenn man sich verwundbar macht, wird der Vertrauensmechanismus in Gang gesetzt.
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