1. Zyklische Abfolgen sind h?ufig anzutreffen
Unter einem Zyklus versteht man einen „Kreislauf regelm??ig wiederkehrender Dinge oder Ereignisse“ (Duden 2022), also die „regelm??ige Wiederkehr“ von Sachen oder Ereignissen (Digitales W?rterbuch der deutschen Sprache 2022). Zahlreiche Aspekte unseres Lebens werden von zyklischen Vorg?ngen bestimmt: Begonnen mit Tag und Nacht, Ebbe und Flut und den Jahreszeiten ?ber die Menstruation der Frau bis hin zu typischen Abfolgen im Wirtschaftsleben, die sich etwa in Form von Produktionszyklen, Konjunktur- und Wirtschaftszyklen, Zinszyklen bis hin zu dem den Zusammenhang von Angebot, Nachfrage und Marktpreis beschreibenden Schweinezyklus.
Auch Wertpapier- und Rohstoffm?rkte sind durch zyklische Bewegungen gekennzeichnet. Mit anderen Worten finden sich vielf?ltige statistisch auff?llige Muster, die Anleger dazu nutzen k?nnen, mit h?herer Wahrscheinlichkeit erfolgreiche Anlageentscheidungen zu treffen, als wenn derartige Muster nicht beachtet werden. Hier gilt, wie es Mark Twain ausdr?ckte, dass sich die Geschichte zwar nicht wiederholt, aber reimt.
Kurzum: In der Vergangenheit aufgetretene Muster bieten keine Garantie, dass sich diese in der Zukunft wiederholen. Im langfristigen Durchschnitt ist die Fortsetzung eines validen Musters allerdings wahrscheinlicher als dessen Bruch.
2. Wieso folgt die B?rse typischen Mustern?
Warum dies so ist, l?sst sich nicht verallgemeinert erkl?ren. Ein nicht unwesentlicher Grund d?rfte aber darin gelegen sein, dass sich Marktteilnehmer, die die Zukunft zu bewerten versuchen, regelm??ig mit der Vergangenheit auseinandersetzen, um Schl?sse zu ziehe und Prognosen aufzustellen. Manche Zyklen k?nnen in diesem Sinn als selbsterf?llende Prophezeiungen (mit-)erkl?rt werden, w?hrend der Ablauf einer selbsterf?llenden Prophezeiung seinerseits zyklisch gestaltet ist (vgl. Science Direct 2022). Jeden B?rsezyklus alleine auf die Psychologie der Marktteilnehmer zur?ckzuf?hren, greif jedoch zu kurz, denn zahlreiche zyklische Bewegungen lassen sich auch rational begr?nden.
3. Beispiel eines typischen Wirtschaftszyklus‘: Die vierj?hrige amerikanische Pr?sidentschaftsperiode
Wenige zyklische Ereignisse haben derart nachhaltig und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreffende Auswirkungen auf die Entwicklung der Wertpapierm?rkte, wie die Amtsperiode des amerikanischen Pr?sidenten, der als Regierungschef und Staatsoberhaupt die gr??te Volkswirtschaft der Welt ma?geblich zu beeinflussen vermag.
Analysiert man die Entwicklung des Dow Jones Industrial Average („Dow Jones“) seit dessen erstmaliger Ver?ffentlichung im Jahr 1896, war dessen Performance in Nachwahljahren im Durchschnitt die mit Abstand schlechteste im vierj?hrigen Regentschaftszyklus. Das liegt daran, dass Nachwahljahre regelm??ig dazu genutzt werden, um schmerzliche politische Entscheidungen zu treffen, die Unternehmen wie auch Privatpersonen belasten und jedenfalls kurzfristig nachteilige betriebs- und volkswirtschaftliche Auswirkungen haben k?nnen. Offenbar vertrauen politische Leitungspersonen auf die (zuverl?ssige) Vergessenskurve der W?hler, um ihre Widerwahlchancen zu optimieren.
Das zweitschlechteste B?rsenjahr im sogenannten presidential election cycle ist das dem Nachwahljahr folgende Zwischenwahljahr, in dem Teile des Kongresses neu gew?hlt werden und ?blicherweise jene Partei, die gerade nicht den Pr?sidenten stellt, Gewinne f?r sich verbuchen kann. Dass im Nachwahljahr unpopul?re politische Entscheidungen getroffen werden, die jedenfalls kurzfristig nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen haben, zeigt sich auch darin, dass alle amerikanischen Baissen der Nachkriegszeit im Nach- oder Zwischenwahljahr begannen (ob die aktuelle Baisse bereits Ende 2021 oder erst Anfang 2022 begann, dar?ber l?sst sich diskutieren).
?hnliches gilt im Zusammenhang mit Kriegen. Auch der Eintritt der USA in die meisten gro?en Kriege der letzten hundert Jahre erfolgte fast immer – so bei beiden Weltkriege, dem Vietnamkrieg, und dem faktischen Eingriff in den Ukrainekonflikt – im Nachwahl- oder im Zwischenwahljahr, also mit m?glichst gro?em zeitlichen Abstand zum Wahljahr. Zugleich beeinflussen Kriege die Wertpapierm?rkte kurz- und mittelfristig negativ, wie in Punkt 4. n?her beschrieben wird.
Eine bessere Entwicklung des Dow Jones zeigt sich im Wahljahr, die mit Abstand beste allerdings im Vorwahljahr: Denn in diesem werden seitens der an der Macht stehenden Partei zweckm??ige politische und wirtschaftliche Ma?nahmen initiiert, die auch darauf abstellen, die Gunst der W?hler zu sichern. Der Dow Jones zeigt seit seiner Begr?ndung im Durchschnitt in Vorwahljahren eine um etwa den Faktor 5,5 h?here positive Entwicklung als in Nachwahljahren.
Studien zur Entwicklung des S&P 500 zeigen graduelle Unterschiede zu jener des Dow Jones. Auch ihnen ist allerdings gemein, dass die durschnittliche Indexentwicklung im Vorwahljahr jene der anderen drei Jahre des presidential election cycle deutlich ?bertrifft. Unabh?ngig von der betrachteten US-B?rse bieten also amerikanische Vorwahljahre die statistisch h?chste M?glichkeit auf Gewinne.
Ausnahmen best?tigen die Regel: Nach der Wahl von Donald Trump zum Pr?sidenten setzte dieser im Nachwahljahr nicht prim?r wirtschaftliche Einschnitte, sondern sogleich Steuerentlastungen durch. Im Nachwahljahr war daher eine wesentlich g?nstigere Entwicklung der amerikanischen Wertpapierb?rsen zu notieren, als im ?blichen Wahlzyklus. Auch in der Pr?sidentschaft Trump lie?en sich die h?chsten Durchschnittsrenditen allerdings im Vorwahljahr erzielen.
Wer meint, dass eine republikanische Pr?sidentschaft – immerhin werden Republikaner als wirtschaftsfreundlichere Partei angesehen – besser f?r die amerikanischen B?rsen sei, der irrt. Tats?chlich ist die Entwicklung des Dow Jones seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in Perioden einer demokratischen Pr?sidentschaft erfreulicher als in Phasen einer republikanischen Pr?sidentschaft. Bezieht man den Einfluss des Kongresses mit ein, so entwickelte sich der Dow Jones in Zeiten eines demokratischen Pr?sidenten und republikanisch dominierten Kongresses am besten, gefolgt von einem republikanischen Pr?sident und republikanisch dominierten Kongress, w?hrend die Performance des Dow Jones am schw?chsten war, wenn ein republikanischer Pr?sident einem demokratisch dominierten Kongress gegen?berstand.
5. Weiterf?hrende Informationen.
Eine Vollversion des Artikels, in der zahlreiche weiteren Zyklen besprochen werden, finden Sie hier. Der Artikel wurde von Rechtsanwalt Dorian Schmelz erstellt, Partner der Schmelz Rechtsanw?lte OG. Der Autor ist unter anderem auf die umfassende Beratung von Unternehmen betraut und betr?t Klein- und Mittelst?ndische Unternehmen ebenso wie Gro?unternehmen und gemeinn?tzige Organisationen. Er ist au?erdem Lehrbeauftragter der Londoner Middlesex University.
Keywords:Wirtschaft, Wirtschaftszyklus, zyklische Bewegung, B?rse, Volkswirtschaft
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