Mehrheit wünscht sich breiteres Sprachangebot an Schulen

Das traditionelle Fremdsprachenangebot der Schulen kommt nur bei einer Minderheit gut an. Das zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Nachhilfe-Instituts Studienkreis.

Chinesisch statt Latein: Mehrheit w?nscht sich breiteres Sprachangebot an Schulen

Das traditionelle Fremdsprachenangebot der Schulen kommt nur bei einer Minderheit gut an. Das zeigt eine repr?sentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Nachhilfe-Instituts Studienkreis unter 1.022 Erwachsenen in Deutschland. Au?erdem verr?t die Umfrage, wie verbreitet Fremdsprachenkenntnisse in Deutschland sind und wer sie wozu einsetzt.

Zentrale Ergebnisse im ?berblick
– 83 Prozent der Befragten finden sehr wichtig, dass junge Menschen in der Schule neben Englisch mindestens noch eine weitere
Fremdsprache lernen. Nur eine Minderheit hat allerdings selbst gute oder sehr gute Kenntnisse in mehr als einer der abgefragten,
besonders verbreiteten Fremdsprachen.

– 71 Prozent finden es wichtig, dass Spanisch als zweite Fremdsprache neben Englisch angeboten wird, noch vor Franz?sisch. Chinesisch als
weitere Fremdsprache finden mehr Befragte wichtig als Latein.

– In der Altersgruppe von 18 bis 39 Jahren haben 94 Prozent nach eigener Aussage gute bis sehr gute Englischkenntnisse. In der Generation
60+ gilt das nur f?r 51 Prozent.

– Bei der Nutzung der Fremdsprachenkenntnisse gibt es einen gro?en Unterschied zwischen den Generationen. 83 Prozent der 18- bis 39-
J?hrigen nutzen ihre Fremdsprachenkenntnisse f?r den Medienkonsum. Die Generation 60+ nutzt Fremdsprachenkenntnisse vor allem auf
Reisen; nur eine Minderheit in dieser Altersgruppe verwendet sie auch beim Medienkonsum oder beruflich.

Deutliche Mehrheit bef?rwortet zwei Fremdsprachen

83 Prozent der Befragten finden es wichtig, dass Kinder und Jugendliche in der Schule au?er Englisch noch eine andere Fremdsprache lernen. Mit diesem Wunsch liegen die Befragten ganz auf der EU-Linie: Nach deren W?nschen sollen alle jungen EU-B?rgerinnen und -B?rger ?ber ihre Muttersprache hinaus mindestens Grundkenntnisse in zwei weiteren EU-Sprachen erwerben. Bei der Umsetzung hinkt Deutschland allerdings stark hinterher – in 20 der 27 EU-Staaten lernen anteilig mehr Jugendliche in der Schule mindestens zwei Sprachen. In Deutschland hingegen sind zwei Fremdsprachen nur f?r Sch?lerinnen und Sch?ler verpflichtend, die das Abitur anstreben. Insbesondere in der beruflichen Bildung lernen nur wenige Jugendliche in Deutschland eine zweite Fremdsprache.

Max Kade, P?dagogischer Leiter des Studienkreises, erkl?rt, was hinter der EU-Sprachenpolitik steckt: „Sprache ist eng mit der eigenen Kultur und Identit?t verkn?pft. Mehrsprachigen Menschen f?llt es h?ufig leichter, die sprachliche und kulturelle Vielfalt Europas zu sch?tzen, indem sie einen kommunikativen Austausch ?ber Landesgrenzen hinweg eintreten.“ Gerade in einer Zeit, in der zum einen kulturelle Konformit?t immer st?rker wird, zum anderen aber wieder Abschottungsideen Geh?r finden, sei es wichtig, dass junge Menschen eigene Erfahrungen im Austausch mit Gleichaltrigen anderer L?nder sammelten und sich als Teil einer globalen Gemeinschaft erlebten. Immerhin auf Englisch funktioniert die Kommunikation laut der Forsa-Ergebnisse bereits: 94 Prozent der Erwachsenen unter 40 Jahren halten ihre Englischkenntnisse mindestens f?r gut.

Chinesisch beliebter als Latein

Sch?lerinnen und Sch?ler in Deutschland w?hlen laut Statistischem Bundesamt am zweith?ufigsten Latein als zweite Fremdsprache. Nur Franz?sisch wird h?ufiger belegt, an dritter Stelle folgt Spanisch. Die Forsa-Umfrage legt nahe: St?nden mehr Sprachen zur Auswahl, dann w?rde die Wahl seltener auf Latein fallen. So fanden 35 Prozent der Befragten (sehr) wichtig, dass Kinder und Jugendliche in der Schule Chinesisch belegen k?nnen. Bei Latein waren nur 28 Prozent dieser Ansicht. Auch Fremdsprachenunterricht in den h?ufigen Herkunftssprachen Arabisch und T?rkisch k?me immerhin bei 17 bzw. zw?lf Prozent der Befragten gut an – wird aber kaum angeboten. „Eine breitere Auswahl k?nnte unter Umst?nden mehr Sch?lerinnen und Sch?ler motivieren, eine zweite Fremdsprache zu lernen“, vermutet Kade. Die Fremdsprachenangebote an den Schulen h?tten sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum ge?ndert, obwohl sich durch Globalisierung und Digitalisierung neue kulturelle und wirtschaftliche Zentren bilden.

J?ngere sind deutlich mehrsprachiger als ?ltere

Der gesellschaftliche Wandel zeigt sich auch an den unterschiedlichen Fremdsprachenkenntnissen in verschiedenen Generationen. W?hrend in der Generation 60+ nur jeder Zweite die eigenen Englischkenntnisse als gut oder sehr gut einsch?tzt, sind es in der Gruppe der 18- bis 39-J?hrigen 94 Prozent. In der j?ngeren Generation sei Mehrsprachigkeit – oder zumindest Zweisprachigkeit – bereits der Normalfall, wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus, folgert Kade.

Das zeigt sich auch daran, zu welchen Zwecken die Befragten ihre Fremdsprachenkenntnisse einsetzen: 77 Prozent der ?ber-60-J?hrigen nutzen Fremdsprachenkenntnisse auf Auslandsreisen. Aber nur jeder Dritte in dieser Generation konsumiert Medien (Filme, Internet, B?cher) in einer anderen Sprache und nur knapp jeder Vierte nutzt im Beruf eine andere Sprache. Unter den Erwachsenen unter 40 Jahren sieht das ganz anders aus: 83 Prozent konsumieren Medien in einer Fremdsprache, 68 Prozent setzen die Sprache auch in Ausbildung oder Beruf ein. Au?erdem kommunizieren vier von zehn in dieser Altersklasse in einer Fremdsprache mit Freunden und Familie. In der Generation 60+ pflegt knapp jeder Vierte private Kontakte in einer anderen Sprache.

Unterricht in der zweiten Fremdsprache oft nicht erfolgreich

Wie gut die ganz junge Generation Englisch und Franz?sisch spricht, zeigt in wenigen Wochen der neue „Bildungstrend“ des Instituts f?r Qualit?tssicherung im Bildungswesen (IQB). Zuletzt hatte das IQB 2015 die Englischkenntnisse von Jugendlichen in Klasse 9 untersucht – und ermittelt, dass 27 Prozent beim Leseverstehen und 17 Prozent beim H?rverstehen in Englisch den Mindeststandard nicht erreichten.

Die Forsa-Umfrage l?sst vermuten, dass der Unterricht in der zweiten Fremdsprache noch seltener zu guten Kenntnissen f?hrt. Obwohl die ?berwiegende Mehrheit der Befragten mit Abitur oder Hochschulabschluss eine zweite Fremdsprache gelernt haben muss, geben nur 18 Prozent in dieser Gruppe an, gut Franz?sisch zu sprechen. Bei allen anderen abgefragten Sprachen sind es weniger als zehn Prozent. Ein Grund daf?r k?nnte sein, dass die zweite Fremdsprache traditionell mit weniger Stunden und oft auch k?rzer unterrichtet wird – nur die erste Fremdsprache gilt als Kernfach. Auch im Studienkreis ist Englisch mit 21 Prozent der Nachhilfestunden nach Mathematik und Deutsch das am dritth?ufigsten nachgefragte Fach. Alle anderen Fremdsprachen zusammen machen nur weitere vier Prozent der Nachhilfestunden aus.

„Es ist auf vielen Ebenen bedauerlich, dass der Unterricht in der zweiten Fremdsprache nicht h?ufiger zu guten Sprachkenntnissen f?hrt“, kommentiert Max Kade. „Die Schulen haben damit viel Aufwand und den Jugendlichen entgeht die Chance auf echte Mehrsprachigkeit. Ich w?nsche mir, dass Fremdsprachen in Zukunft in intelligenter Art und Weise st?rker gef?rdert werden, zum Beispiel durch den Ausbau von Austauschprogrammen oder zielf?hrende digitale Angebote.“ Auch der Studienkreis hat seine Fremdsprachenangebote digital erweitert: Seit Sommer 2023 k?nnen Jugendliche in VR-Kursen in einer englischsprachigen virtuellen Realit?t gemeinsam lernen.

Dass digitale Neuerungen wie ?bersetzungssoftware und K?nstliche Intelligenz es hingegen eher ?berfl?ssig machen k?nnten, Fremdsprachen zu lernen, h?lt laut der Forsa-Umfrage ?brigens nur eine Minderheit f?r wahrscheinlich: Nur einer von zehn Befragten stimmte dieser Aussage zu.

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